„Der Thurgau soll wieder landesweites Vorbild werden. Massstäbe hat er mit der vor 30 Jahren angestossenen Reform der Gemeindestrukturen gesetzt. 80 politische Gemeinden und 84 eigenständige Schulgemeinden gibt es heute. Nun soll eine weitere Fusionsrunde vorbereitet werden, fordert GLP-Kantonsrat Ueli Fisch (Ottoberg). So könne der Thurgau wieder den Takt angeben.“ (Thurgauer Zeitung vom 24.2.2015)
Den oben erwähnten Vorstoss habe ich heute zusammen mit Walter Schönholzer (FDP), Joos Bernhard (CVP), Urs Schrepfer (SVP), Christian Koch (SP) und Andreas Guhl (BDP) eingereicht. Leider haben nur 38 weitere Kolleginnen und Kollegen aus dem Grossrat den Vorstoss mitunterzeichnet. Die geringe Anzahl von Mitunterzeichnern enttäuscht. Einzelne Stimmen meinten, der Vorstoss sei viel zu detailliert formuliert und beschäftige unnötigerweise die Verwaltung. Andere wiederum wollen warten, bis sich Fusionen von selbst ergeben und der Regierungsrat diese dann einzeln und gezielt unterstützen kann. Beide Argumente greifen meiner Meinung nach aber viel zu kurz.
Wenn man in einem Vorstoss nicht genau und detailliert fordert, welches Ergebnis man wünscht, dann bekommt man auch sicher nicht das, was man sich vorgestellt hat. Da ist ja das momentan aktuelle LÜP-Paket das beste Beispiel. Das vorliegende Sparpaket entspricht sicher nicht dem, was die Motionäre damals wollten. Sie wollten nämlich eine Leistungsüberprüfung der Verwaltung, bekommen haben sie ein Sammelsurium an grossen und kleinen Sparvorschlägen, die überhaupt nichts mit den Leistungen der Verwaltung zu tun haben.
Dann verstehe ich meine Aufgabe als Kantonsrat immer noch so, dass man für den Thurgau arbeitet und die politische Landschaft mitgestaltet. Es gibt unzählige Beispiele von Interpellationen, welche die Verwaltung und den Grossen Rat unnötig beschäftigen. Unser Vorstoss gehört aber sicher nicht in diese Kategorie.
Zum zweiten Argument gilt es zu sagen, dass man vielleicht auch in der Politik einmal unternehmerisch denken sollte und etwas nach vorne schauen sollte. Es braucht eine Strategie für die Entwicklung der Gemeindelandschaft. Man kann sich doch nicht einfach zurücklehnen und abwarten, was auf einem zukommt. Es braucht eine Vision und eine Strategie sowie dann einen Plan für deren Umsetzung.
Nun bin ich gespannt, ob der Regierungsrat etwas Weitblick zeigt und welche Antwort er uns Motionären gibt. Im Weiteren freue ich mich schon heute auf die anschliessende Debatte im Parlament.
Der ganze Wortlaut des Vorstosses kann hier nachgelesen werden:
Antrag gemäss § 52 GOGR
„Herausforderung zukünftige Thurgauer Gemeindelandschaft“
Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat einen Bericht vorzulegen, welcher aufzeigt wie der Kanton und die Gemeinden gemeinsam eine Strategie und konkrete Umsetzungsziele zur Entwicklung der Gemeinden und zur gezielten Förderung von Fusionen von Politischen Gemeinden einerseits sowie mit Schulgemeinden andererseits erarbeiten können. Insbesondere sind dabei folgende Punkte zu behandeln:
- Analyse der heutigen Strukturen (Primarschulgemeinden, Sekundarschulgemeinden, Volksschulgemeinden, Politische Gemeinden, Einheitsgemeinden)
- SWOT-Analyse von Gemeindefusionen: Stärken, Schwächen, Chancen, Gefahren in konkretem Bezug auf die künftigen Herausforderungen des Kantons und der Gemeinden (Politische Gemeinden und Schulgemeinden) im Thurgau
- Aktuelle Zusammenarbeitsformen oder Zweckverbände versus Gemeindefusionen
- Auswirkungen auf die Gemeindeautonomie bei Gemeindefusionen zwischen Politischen Gemeinden sowie zwischen Politischen und Schulgemeinden
- Auswirkungen bei Gemeindefusionen auf die Aufgabenerfüllung (Finanzen, Steuern, Bürgermitwirkung, usw.)
- Auswirkungen von Gemeindefusionen auf den Kanton
- Finanzielle und nicht-monetäre Möglichkeiten des Kantons zur aktiven Förderung von Fusionen
- Aktuelle gesetzliche Grundlage und allfällig nötige Gesetzesanpassungen oder neue Gesetze, um solche Fusionen zu fördern oder überhaupt möglich zu machen
- Möglichkeiten von Fusionen bei geographisch nicht deckungsgleichen Politischen Gemeinden und Schulgemeinden unter Würdigung allfällig notwendiger Gesetzesanpassungen
Der Bericht des Regierungsrates soll die Grundlage liefern für ein Projekt zur Ausarbeitung einer Strategie und deren Umsetzung. Für die Erstellung des Berichtes sollen die Politischen Gemeinden und die Schulgemeinden in geeigneter Form angehört werden. Der Bericht soll zusätzlich folgendes enthalten:
- Vorschlag für das Projekt: Projektdefinition mit Zielen, Projektorganisation unter Einbezug von Kanton, Gemeinden, Schulgemeinden, u.a., Projektbudget
Begründung
Mit der Fusionswelle von 1994 – 2000 übernahm der Thurgau eine nationale Vorreiterrolle bei Gemeindefusionen. Seit dieser Zeit ist die Gemeindelandschaft der Politischen Gemeinden praktisch unverändert geblieben. Sowohl der Prozess zur Bildung grösserer politischer Gemeinden, als auch derjenige zur Bildung von Volksschulgemeinden ist ins Stocken geraten.
Es gibt keine klare Strategie zur Entwicklung der Gemeinden im Thurgau. Der Kanton Thurgau sowie die Politischen Gemeinden und die Schulgemeinden sind gemeinsam gefordert diese Strategie zu erarbeiten. Dazu folgende Gedanken und Thesen:
- Die Anforderungen an Gemeinden nehmen stetig zu. Die Aufgaben werden zunehmend vielfältiger und komplexer. Grössere Gemeinden können Aufgaben effektiver und effizienter erfüllen, zudem steigt die Qualität der Dienstleistungen.
- Die konstante Qualität bei der Dienstleistungserfüllung ist bei kleinen Gemeinden tendenziell ein Problem, ebenso die Stellvertreter-Regelung. Bei längeren personellen Ausfällen (Burnout, Schwangerschaft etc.) drohen grosse Schwierigkeiten. Bei grösseren Gemeinden sind höhere Pensen möglich, wodurch auch längere Stellvertretungen einfacher zu bewerkstelligen sind.
- Bei grösseren Gemeinden sind Teilzeit-Mandate für Gemeindepräsidenten nicht mehr nötig. Das Amt des Gemeindepräsidenten wird dadurch insgesamt attraktiver und für einen grösseren Personenkreis interessant.
- Das Milizsystem kommt an seine Grenzen. Die Bereitschaft politische Ämter zu übernehmen sinkt. Die Anzahl an Ämtern nimmt bei Fusionen ab, es braucht also weniger Mandatsträger.
- Aufgaben, die eine kleine Gemeinde heute an Private oder andere Gemeinden ausgelagert hat, können in einer grösseren Gemeinde wieder selbst erledigt werden und der Bürger kann auch wieder darüber entscheiden. Dies führt zu mehr Autonomie und zu mehr demokratischer Legitimation.
- Grössere, autonomere Gemeinden haben gegenüber dem Kanton mehr Gewicht, gewinnen an Attraktivität und verbessern damit ihre Wettbewerbsposition.
- Der Herausforderungen der Raumplanung und Raumentwicklung können in flächenmässig grösseren Gemeinden besser gelöst werden. Grössere Gemeinden werden somit zu sinnvolleren raumplanerischen Ergebnissen führen.
- In Bezug auf die Schulgemeinden fehlt eine vertiefte Analyse über die Vorteile/Nachteile der verschiedenen Modelle, wie das Thurgauer-Modell mit Volksschulgemeinden oder das Modell mit Einheitsgemeinden, welches u.a. der Kanton St. Gallen anwendet.
Ottoberg, 25. Februar 2015
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