Antrag für einen Bericht zur Thurgauer Gemeindelandschaft abgelehnt

Der von mir, Walter Schönholzer (FDP), Joos Bernhard (CVP), Urs Schrepfer (SVP), Christian Koch (SP) und Andreas Guhl (BDP) geforderte Bericht für eine Auslegeordnung der Thurgauer Gemeindelandschaft hatte leider keine Chance im Parlament. Der Antrag wurde klar abgelehnt. Die Regierung und die Mehrheit des Parlaments befürchten einen Papiertiger und bezeichnen den Bericht als unnötig. Sehr schade – der Thurgau verpasst es hier, strategisch zu denken und sich auf zukünftige Entwicklungen einzustellen. Die Herausforderungen an die Gemeinden werden steigen und die Gemeindelandschaft wird sich weiter verändern. Auch der Thurgau wird davon nicht verschont bleiben. Jetzt einfach zu warten, bis der Leidensdruck steigt, ist für mich ganz klar die falsche Strategie. Aber eben typisch für die aktuelle Regierung. Es ist ja nicht der erste Vorstoss von mir, der mit diesen Argumenten abgewürgt wird. Solange weiterhin ehemalige Gemeindepräsidenten im Regierungsrat das Sagen haben, wird sich daran auch nichts ändern. Ausser die Umstände zwingen die Regierung zum Handeln und dann ist es vielleicht schon wieder zu spät für eine überlegte Handlung. 

Der Artikel der Thurgauer Zeitung über die Behandlung des Vorstosses in der Grossratssitzung vom 9. März kann hier nachgelesen werden.

Der eingereichte Antrag im Wortlaut ist hier zu finden, die Antwort der Regierung hier.

Nachfolgend mein Votum aus der Grossratssitzung vom 9. März 2016:

Ich danke dem Regierungsrat für die Beantwortung unseres Antrages. Ich kann es nicht verhehlen, ich bin einmal mehr enttäuscht von dieser Antwort.

Zuerst einmal möchte ich klarstellen, war wir Vorstösser NICHT gefordert haben:

  • Bestandsgarantie der 80 politischen Gemeinden nicht in Frage gestellt.
  • Freiwilligkeit von Fusionen nicht in Frage gestellt.
  • Von Zwangsfusionen nicht gesprochen und die streben wir auch nicht an!
  • Wir fordern auch keine fertige Strategie, sondern in einem ersten Schritt ein Grundlagenpapier mit einer Auslegeordnung und einer SWOT-Analyse
  • Geforderter Bericht ist kein Mammut-Projekt, da es ja wie der RR schreibt schon viele Arbeiten zum Thema Gemeindefusionen gibt
  • Wir fordern auch nicht, dass der Bericht auf die einzelnen Gemeinden eingehen muss, sondern wollen einen Überblick über die Organisationsformen.
  • Fordern auch kein Amt für Gemeinden mit mehreren 100 Stellenprozenten. Diese Schlussfolgerung des RR ist abenteuerlich und absolut an den Haaren herbeigezogen.

Was wir tatsächlich wollen mit unserem Antrag:

  • Eine Auslegeordnung der Thurgauer Gemeindelandschaft.
  • Nicht einen Papiertiger, sondern ein Grundlagenpapier, auf welchem danach eine gemeinsame Strategie von Kanton und Gemeinden aufgebaut werden kann.
  • Wie der RR schreibt, existieren verschiedene Arbeiten zum Thema bereits. D.h. das Rad muss nicht neu erfunden werden, sondern das Wissen muss nur für den Thurgau entsprechend aufbereitet werden.
  • Auch die Gemeindepräsidentin von Pfyn, Frau Jacqueline Müller, kommt in der vom RR zitierten Diplomarbeit zum Schluss, dass es eine gemeinsame Strategie von Kanton und Gemeinden braucht, um zukünftige Strukturveränderungen anzugehen.
  • Genau hier blockt der RR nun aber in seiner Antwort. Er will keine gemeinsame Strategie, sondern überlässt es jeder einzelnen Gemeinde wie sie in die Zukunft gehen will.
    So fehlt im Thurgau die VOGEL-Perspektive – und das sagt der FISCH.

Es ist billig und sehr einfach solche strategischen Projekte mit dem Hinweis auf LÜP abzuwürgen. Wie kann man im gleichen Atemzug behaupten, dass wir uns eine
EXPO 2027 leisten können, aber zukunftsorientierte Projekte, welche sich mit der politischen Realität befassen nicht?

Nun zumindest in Bezug auf die Schulgemeinden stellt der RR einen gewissen Handlungsbedarf fest. Es ist positiv zu werten, dass es eine Supportgruppe gibt, welche sich der Thematik annimmt. Aber wie der Stand im Thurgau bezüglich Projekten zur Bildung von Volksschulgemeinden ist, erfährt man nicht. Genau das würden wir eben gerne im gewünschten Bericht erfahren.

Der RR stellt selber fest, dass es für die Übertragung der Aufgaben der Schulgemeinde an die Politische Gemeinde ein deckungsgleiches Gebiet braucht. Wie es zu diesem deckungsgleichen Gebiet kommen kann, wäre ebenfalls ein Ziel, was eine spätere Strategie zu Gemeindefusionen aufzeigen könnte. Eine isolierte Betrachtung der Schulgemeinden, wie das der RR will, bringt nichts. Eine Strategie muss gemeinsam mit den Politischen Gemeinden erarbeitet werden, sonst gibt es nie ein deckungsgleiches Gebiet! Das ist wie die Frage ob das Huhn oder das Ei zuerst war? Nun, das Huhn des RR wird nie ein Ei legen, sondern das Leben lang nur gackern!

Zusammenfassung à Wieso braucht es den Bericht und danach ein Projekt für die Strategieerarbeitung:

  • Die Anforderungen an Gemeinden nehmen stetig zu. Die Aufgaben werden zunehmend vielfältiger und komplexer.
  • Die konstante Qualität bei der Dienstleistungserfüllung ist bei kleinen Gemeinden tendenziell ein Problem, ebenso die Stellvertreter-Regelung.
  • Der Gemeindepräsident einer grösseren Gemeinde kann Präsident sein, wie ein VR-Präsident eines Unternehmens, nicht gleichzeitig CEO und auch noch Abteilungsleiter sein. Keine Teilzeit-Mandate = Amt wird interessanter
  • Das Milizsystem kommt an seine Grenzen. Die Bereitschaft politische Ämter zu übernehmen sinkt. Anzahl an Ämtern nimmt bei Fusionen ab, es braucht also weniger Mandatsträger.
  • Fusionen stärken Autonomie! Ausgelagerte Aufgaben wieder selber übernehmen, Bürger kann wieder darüber entscheiden = mehr demokratische Legitimation.
  • Grössere, autonomere Gemeinden haben gegenüber dem Kanton mehr Gewicht, gewinnen an Attraktivität; verbessern ihre Wettbewerbsposition.
  • Herausforderungen der Raumplanung und Raumentwicklung können in flächenmässig grösseren Gemeinden besser gelöst werden.

Ich persönlich bin überzeugt, dass 80 Politische Gemeinden und 90 Schulgemeinden zu viel sind. 40 Gemeinden mit mindestens 4‘000 Einwohnern sollte das Fernziel sein! Der Thurgau sollte sich jetzt mit der Zukunft der Gemeindelandschaft beschäftigen und sich nicht in Selbstzufriedenheit zurücklehnen. Die Herausforderungen sind da und sich jetzt seriös damit zu beschäftigen und für die Zukunft gewappnet zu sein, ist nicht falsch! Ich bitte Sie daher, unseren Antrag für erheblich zu erklären und an der Zukunftsgestaltung mitzuarbeiten. Vielen Dank.