An der heutigen Grossratssitzung vom 12. März 2014 war die parlamentarische Initiative von Stefan Geiges (CVP) und mehreren Mitinitianten traktandiert. Leider haben die Initianten die Vorlage kurzfristig während der Ratssitzung zurückgezogen. Scheinbar war der Druck von Seiten der bürgerlichen Parteien aber auch der Linken auf die Initianten zu hoch. Diese wären in der Debatte wohl sehr stark persönlich angegriffen worden. Sehr schade, denn die Diskussion wäre unbedingt nötig gewesen. Schade auch, dass ich mein vorbereitetes Votum nicht halten konnte. Nichts desto trotz möchte ich es hier abdrucken. Ich überlege mir nun auch, wie ich einen eigenen Vorstoss lancieren kann, um die Transparenz bei der Wertschöpfungskette von öffentlichen Aufträgen zu verstärken und die richtige gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen.
Votum:
Ich verstehe nicht, wieso sich der Regierungsrat weigert eine solche Chance auf eine Verbesserung des öffentlichen Beschaffungswesens zu ergreifen! Sehen wir doch die ganze Sache einmal unter dem Thema der Nachhaltigkeit und Transparenz der Beschaffung an:
Viele von der öffentlichen Hand beschafften Güter wie Berufsbekleidung und Textilien, Computer und Kommunikationsmittel, Pflastersteine, Sportartikel usw. werden unter kritischen Bedingungen hergestellt. Kinderarbeit, Löhne weit unter dem Existenzminimum, überlange Arbeitszeiten oder ökologische Katastrophen sind an der Tagesordnung.
Bund, Kantone und Gemeinden beschaffen jedes Jahr für rund 40 Milliarden Güter, wobei 20% auf den Bund und je rund 40% auf Kantone und Gemeinden fallen. Die öffentliche Hand nimmt als Grosskonsumentin eine Vorbildfunktion ein. Bund, Kantone und Gemeinden stehen daher in der Pflicht, ihre Beschaffung sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten und weder aktiv noch passiv Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Produktion der Beschaffungsgüter zuzulassen. Ausserdem schafft die Nachfrage der öffentlichen Hand Anreize, damit sich Unternehmen, die ihre Produktion auf Nachhaltigkeit ausrichten, am Markt positionieren und etablieren können.
Diese Initiative hilft also sicherzustellen, dass Thurgauer Arbeit auch mit Thurgauer Wertschöpfung verbunden ist und nicht mit importierter, nicht kontrollierbarer ausländischer Wertschöpfung. Wer garantiert denn für die Einhaltung der Sozial- und Umweltstandards dieser Produkte? Noch lange nicht ist überall wo Thurgau drauf, steht auch Thurgau drin! Auch wenn gemäss Regierungsrat ca. 80% der freihändig und mit Einladungsverfahren vergebenen Aufräge des Bauwesens in 2012 an Thurgauer Unternehmen gingen, ist noch lange nicht gesagt, dass dies 80% Wertschöpfung im Thurgau bedeuten. Das ist sogar sehr unwahrscheinlich.
Im Thurgau erzielte Wertschöpfung ist gleichbedeutend mit kurzen Wegen, lokalen, regionalen Rohstoffen: Wieso ist also die Grüne Partei gegen eine solche Regelung? Und wieso ziehen auch die bürgerlichen Parteien ihr sonst in letzter Zeit so gern benutztes grünes Mäntelchen hier plötzlich aus? Wo bleibt das ökologische Gewissen des Regierungsrates?
Wertschöpfung im Thurgau heisst, dass ein echter Wert im Thurgau erzielt wird. D.h. Thurgauer Arbeitnehmer und damit Thurgauer Steuerzahlen leisten diese Arbeit oder erwirtschaften diese Rohstoffe und haben damit auch ein Recht, dass dieses Steuergeld im Thurgauer Kreislauf bleibt, zumindest zu einem guten Teil.
Der Regierungsrat moniert, dass durch die verlangte Gesetzesänderung die Gleichbehandlung gefährdet wäre? Andere Kanton würden es dann gleich handhaben und so wiederum den Thurgau benachteiligen, meint der Regierungsrat. Ja, tun sie das denn nicht schon? Oder glauben Sie tatsächlich, dass im Wallis nicht ein Walliser Unternehmen den Auftrag bekommt, bevor er in die „Üserschwiiz“ vergeben wird?
Aber es geht mir eigentlich gar nicht um interkantonale Konkurrenz, auch nicht um internationale Konkurrenz. Ich möchte auch keinen Protektionismus oder Heimatschutz betreiben. Schliesslich lebt die Schweiz und damit auch der Thurgau zu einem guten Teil vom Export und hat sehr viel wettbewerbsstarke Unternehmen. Vielmehr geht es mir um Transparenz, Nachhaltigkeit und damit verbunden um die Förderung der in der Schweiz und im engen Sinn im Thurgau erzielten Wertschöpfung.
Ich wage zu behaupten, dass kein anderes Land die internationalen Regeln der öffentlichen Beschaffung so akribisch umsetzt wie die Schweiz. Oder glauben Sie vielleicht, dass die Italiener oder Franzosen ihre Güter anderswo als bevorzugt im Inland kaufen? Die Schweiz stellt sich hinsichtlich öffentlicher Beschaffung oft selbst ein Bein. Als Textilunternehmer kenne ich diese Effekte bestens. Viel lieber produziert man Zivilschutzuniformen in den Slums von Indien unter unwirklichen Bedingungen, als das vermeintlich wirtschaftlich günstigste Angebot wirklich zu hinterfragen.
Immerhin besteht auf Bundesebene die Möglichkeit bei öffentlichen Ausschreibungen nach zu verhandeln. Die Kantone kennen diese Möglichkeit nicht bzw. haben ein Abgebotsverbot in die Interkantonale Vereinbarung geschrieben und verhindern so einen aus meiner Sicht wichtigen Punkt des Wettbewerbs und der Schaffung von Transparenz.
Transparenz in der Wertschöpfungskette ist sehr wichtig. Der Druck auf die öffentliche Hand wird hier in Zukunft noch zunehmen. NGO’s fordern mehr Transparenz in der öffentlichen Beschaffung. Und genau dahin zielt diese Initiative. Nicht eine künstliche Bevorteilung von Thurgauer Unternehmen wird mit der Initiative angestrebt, sondern lediglich Transparenz in der Wertschöpfungskette. Und nur bei Gleichheit der verschiedenen Angebote soll das Kriterium der Thurgauer Wertschöpfung den Ausschlag geben. Das ist fair und ein Zeichen für nachhaltiges Wirtschaften.
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