Die Wahlen 2019 sind Vergangenheit. Mit einigen Tagen Abstand habe ich versucht, meine Gedanken in einer Analyse zusammenzufassen.
Zuallererst möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei allen Wählerinnen und Wählern, die mir ihre Stimme gegeben haben. Ganz besonders gilt mein Dank meiner Familie, die wie eine Wand hinter mir gestanden ist und mir so den Wahlkampf ermöglich hat. Dann bedanke ich mich sehr herzlich bei allen, die mich während der letzten Wochen und Monaten unterstützt haben, sei es mit moralischer, finanzieller Unterstützung oder mit dem Aufhängen von Plakaten, Schreiben von Leserbriefen, Verteilen von Flyern, Begleiten bei Standaktionen usw.
Herzlichen Dank auch an das Wahlkampfteam der GLP mit Wahlkampfleiter Stefan Leuthold, dem omnipräsenten Event-Fotografen Andreas Schelling und mit Nicole Urweider, Robert Meyer und Martin Wicki sowie an meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf den Listen 18, 19 und 21, welche massgeblich zum guten Ergebnis mit 8.1% Wähleranteil beigetragen haben. Es war ein super Teamwork!
Nationalrat
Vieles wurde schon geschrieben über die Thurgauer Wahlen und die Fakten sind bekannt. Natürlich war die Enttäuschung bei den Grünliberalen und bei mir gross über den verpassten Nationalratssitz. Dieser persönlichen Misere stehen aber die vielen gewonnenen Sitze der GLP in der ganzen Schweiz gegenüber und das Wachstum der GLP im Thurgau. Wir haben 1.9% Wähleranteile gewonnen und kommen neu auf 8.1%. Das ist doch ein beachtlicher Erfolg und bestätigt die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Weinfelden und Frauenfeld von diesem Frühling. Zudem macht es enorm Mut für die kommenden Kantonsratswahlen.
Die Thurgauer Zeitung meint, dass die FDP die falsche Listenverbindung eingegangen ist. Falsch. Sie war schon am richtigen Ort, hat aber einfach nicht genug performt, um den Sitz behalten zu können. Wenn man 1.5% Wähleranteil verliert, dann kann man einfach nicht hoffen, den Sitz halten zu können. Die FDP hat ihren Misserfolg ganz alleine sich selbst zuzuschreiben. Es wäre problemlos möglich gewesen, den dritten Sitz der SVP innerhalb der Listenverbindung zu holen, hätte man nur annähernd die 13% von 2015 bestätigt. Das ist sehr bedauerlich für Hansjörg Brunner, den ich persönlich schätze und der diese Abwahl so nicht verdient hat. Wäre er von Anfang an statt Hermann Hess im Amt gewesen, hätte die Situation vielleicht anders ausgesehen. Zudem glaube ich, dass die Strategie des Thurgauer Gewerbeverbandes, welcher KandidatInnen aus Parteien wie der SP, den Grünen und der GLP nicht zur Wahl empfiehlt, obwohl sie mit ihren Firmen Mitglied sind, Hansjörg Brunner ebenfalls persönlich geschadet hat. Der TGV sollte über die Bücher gehen und von diesem unsäglichen Parteidenken wegkommen.
Die FDP hat Wähler einerseits an die SVP verloren, weil der plötzliche Strategiewechsel in Klimafragen nicht bei allen FDP-Wählern gut ankam. Dann hat die FDP aber auch an uns Wähler verloren. Nämlich diejenigen, welchen die FDP noch zu wenig ökologisch ist oder welche dem Strategiewechsel nicht getraut haben.
Wenn jemand die falsche Listenverbindung gewählt hat, dann sind wir es. Wären wir die Verbindung mit der CVP-BDP-EVP eingegangen, dann wäre ich jetzt Nationalrat und die Grünen wären trotz ihrem Wachstum leer ausgegangen. Aber zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Listenverbindung hätte niemand darauf gewettet, dass die Rechtsverbindung SVP-FDP-EDU total 5.3% Wähleranteil verliert und die Grünen im Gegenzug 5.2% zulegen. Damals war die Entscheidung für die Verbindung links-grün die mathematisch erfolgsträchtigste Variante. Bestätigt hat sich unsere ursprüngliche Kalkulation bei der CVP und der BDP, die beide Anteile verloren haben. Deshalb war für uns diese Listenverbindung im Vorfeld aus rein rechnerischer Sicht die schlechteste Variante. Die Verbindung mit CVP-BDP-EVP hat sich jetzt nur im Nachhinein als bessere Lösung entpuppt, weil Rechts unerwartet stark gelitten hat und wir fast 2% gewachsen sind. Wäre die FDP auch noch in der Mitte-Verbindung gewesen, wäre diese Verbindung für uns sowieso keine Option gewesen, da dann ein Sitz für uns in jedem Fall unmöglich gewesen wäre. Und wir gehen ja nicht in eine Schlacht, ohne selbst eine Chance zu haben, oder?
Wir haben natürlich das Risiko einer Verbindung mit den Grünen und der SP gekannt. Wir wussten, dass die Grünen stärker sein können als wir. Wir hatten aber immer ein Wachstum der Grünen und der GLP im Ausmass der nationalen Wahlprognosen auf der Rechnung und waren überzeugt, in der Direktausmarchung stärker zu sein als die Grünen. Auch die Medien haben dies gleich gesehen und mich favorisiert. Am Ende habe ich persönlich auch das bessere Resultat als der gewählte Kurt Egger gemacht. Und dies notabene bei einem um 5‘000 Stimmen tieferen Total der Hauptliste gegenüber der grünen Hauptliste.
Wieso sind die Grünen derart stark gewachsen? Ich erkläre mir das so, dass sie einiges an Stimmen von früheren SP-Wählern erhalten haben und zusätzlich auch von SP-Wählern panaschiert wurden. Zudem wurden die Grünen von jungen Wählern gewählt, welche durch die Klimadebatte mobilisiert wurden und rein grün gewählt haben.
Wieso hat dann aber die SP nicht mehr verloren? Die SP hat im Thurgau einen engagierten Wahlkampf betrieben und aus meiner Sicht Wähler der eigenen Basis mobilisiert, die 2015 nicht an die Urne gegangen sind. Die gesamthaft tiefere Wahlbeteiligung hat sich nicht bei der SP bemerkbar gemacht, sondern v.a. bei der SVP.
Wir müssen uns nichts vorwerfen. Wir haben einen engagierten Wahlkampf gezeigt. Dass wir die falsche Listenverbindung gewählt haben, konnten wir nicht wissen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Listenverbindung war es die richtige Variante und im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer. Das Ziel, dem Rechtsaussenblock einen Sitz zu entreissen ist aufgegangen. Nur ist es leider der falsche Sitz, nämlich der FDP- statt der dritte SVP-Sitz. Und der Sitz ist nicht bei uns gelandet, sondern bei den Grünen. Immerhin wird die Thurgauer Delegation in Bern grüner, was unter dem Strich auch gut ist. Dass sie linker wird, war nicht geplant, war aber das Risiko.
Ständerat
Auch bei der Ständeratswahl fragt man sich, wieso ich das schlechtere Resultat als Nina Schläfli und Kurt Egger gemacht habe. Dies obwohl die Medien aufgrund meiner Bekanntheit durch die Regierungsratswahlen 2016 und die Initiative für ein Öffentlichkeitsgesetz vermutet hatten, dass ich hinter Brigitte Häberli und Jakob Stark landen würde.
Wieso ist das anders herausgekommen? Ganz einfach – weil die Ständeratswahlen eben doch keine reinen Persönlichkeitswahlen sind, so sehr das die Gewählten auch immer wieder betonen. Ich bin mir sicher, dass die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP intern ihren Wählern ganz klar das Ticket Häberli/Stark empfohlen haben und dies die Wählerinnen und Wähler auch so umgesetzt haben. Auf der anderen Seite glaube ich auch, dass die linken Parteien SP und Grüne ein Ticket Schläfli/Egger empfohlen haben. Gleichzeitig profitierte Kurt Egger vom Wachstum der Grünen bei den Nationalratswahlen. Dazwischen wurde dann die Luft für mich immer dünner. Dass es am Ende trotzdem 14‘002 Stimmen für mich geworden sind, spricht dann eigentlich wieder für mich. Also muss ich dieses Resultat auch durchaus positiv sehen.
Am Ende hat Jakob Stark das absolute Mehr um nur ca. 4‘500 Stimmen überschritten, also um gut 6%. So viel hat uns Herausfordern als nicht gefehlt, um ihn in einen zweiten Wahlgang zu zwingen. Ich bin überzeugt, dass uns dies in einem anderen Kanton gelungen wäre. Aber der Thurgau tickt einfach etwas anders und immer noch sehr konservativ. Der Thurgauer Bürger glaubt relativ schnell, dass man einen Regierungsrat bedenkenlos in den Ständerat wählen kann. Man hinterfragt den Leistungsausweis nicht. Man wählt auch bisherige Ständerrätinnen ohne grosses Zögern.
Diese Umstände lassen auch mit Blick auf die kommenden Regierungsratswahlen keine grosse Hoffnung aufkommen. Bei einer Gesamterneuerungswahl mit einem vakanten SVP-Sitz werden sich die anderen drei Regierungsparteien hüten, Kandidatinnen oder Kandidaten aus anderen Parteien zu unterstützen. Zu gross ist die Angst, dann selbst das Opfer einer Abwahl des eigenen Regierungsmitgliedes zu werden. So werden auch die Regierungsratswahlen 2020 zur Farce. Es wird etwas Gestänk der Tierschützer geben, die Walter Schönholzer abwählen möchten. Aber vielmehr als ein Denkzettel in Form eines etwas schlechteren Ergebnisses für ihn wird das nicht werden. Kandidatinnen oder Kandidaten, welche sich gegen die Regierungsparteien in den Kampf wagen, werden vielleicht ein respektables Ergebnis erzielen, aber zu mehr dürfte es nicht reichen. Um wirklich etwas zu ändern und der SVP den zweiten Regierungssitz entreissen zu können, braucht es eine starke Kandidatur sowie eine koordinierte Aktion, hinter der starke Kräfte stehen. Eine Art „Nacht der langen Messer“ für den Thurgau. Aber das wird wohl eine Illusion bleiben.
Du hast völlig recht